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Queer Cat? Krazy Kat!

Queer Cat? Krazy Kat!

Der wohl legendärste gender-fluide Star der Zeichenfigur-Welt ist eine Katze. Wer hätte das gedacht?! George Herriman eilte mit seinem Comic „Krazy Kat“ Anfang des 20. Jahrhunderts seiner Zeit weit voraus und machte per simplem Stift das Unmögliche möglich. Ein neues XL-Buch des Taschen-Verlags erzählt nun vom Leben voller Krazyness‘ – ob real oder nur auf dem Papier.

Unerwiderte Liebe. Das hat der ein oder andere bestimmt schon einmal schmerzlich erlebt. Von dem Geliebten einen Ziegelstein über den Kopf gezogen zu bekommen – wohl eher ein Ausnahmefall. Allerdings nicht in dem Leben von Katze Krazy, die unsterblich in die durchtriebene Maus namens Ignatz verliebt ist. Diese hält wiederum sehr wenig von der felinen Aufmerksamkeit und lässt daher regelmäßig einen Ziegelstein in Krazys Gesicht sausen. ZIP – POW! Dem Hundepolizist Offisa Pupp gefällt das überhaupt nicht. Deshalb plant dieser in heimlicher Liebe zu Krazy, die Maus hinter Gitter zu bringen. Was ihm am Ende – nach 34 Jahren! – auch tatsächlich gelingt.

Eine schwarze Katze liebt eine weiße Maus. Ein Hund beschützt eine Katze. Eine ungewöhnliche Konstellation, wenn man bedenkt, dass George Herriman den Comic von 1913 bis zu seinem Tod 1944 zeichnete, als Gesetze in den US-amerikanischen Staaten eine Rassenvermischung verboten. George und seine Familie hatten wegen ihres dunkleren Teints und einer vermuteten kreolischen Abstammung kein einfaches Leben. Schließlich zogen sie 1890 wegen wirtschaftlicher Probleme von den Südstaaten nach Kalifornien, wo sein Vater später eine Bäckerei führte. Doch der junge George zeichnete lieber Kuchen, als selber welche zu backen und entdeckte schon früh sein Interesse für Karikaturen und Comics. Der zeichnerische Autodidakt reiste mit nur 20 Jahren als blinder Passagier nach New York – dem Zentrum der Zeitungs- und Comicwelt – um seinem Traum nachzugehen.

Auf dem Foto ist der Comiczeichner und Erfinder von Krazy Kat George Herrison zu sehen.
Comic-Genie George Herriman trug oft Hut, um sein krauses Haar samt Identität zu verbergen.

Auch hier versteckte er sein krauses Haar unter einem Hut und es gelang ihm durch verwirrende Geschichten über seinen multi-ethnischen Background, irgendwie als Weißer durchzugehen. Wen die Hautfarbe des Comic-Genies wenig interessierte, war der Medien-Tycoon William Randolph Hearst. Er war von den absurd-melancholischen Variationen zum Thema unerwiderte Liebe in Herrimans Comic so begeistert, dass er dem Zeichner absolute künstlerische Freiheit auf Lebenszeit gab. Folglich erschienen in seinen Gazetten (u.a. im New York Journal) etliche „Krazy Kat“ Geschichten zuerst in Schwarz-Weiß und ab Mitte der 30er Jahre als farbige Wochenendbeilage. Sie wurden zum Vorbild vieler erfolgreicher Kleintier-Slapsticks, wie „Mickey Mouse“ oder „Tom & Jerry“.

Comics waren sein Leben. Die letzte Folge von Krazy Kat erschien am 25. Juni 1944, zwei Monate nach Herrimans Tod. Medien-Mogul Hearst sah davon ab, wie bei anderen Serien üblich, einen neuen Zeichner Krazy Kat weiterführen zu lassen.

Auch wenn das Zeitungscomic nie weltweite Popularität genoss, gewann „Krazy Kat“ von Beginn an Fans unter berühmten Persönlichkeiten wie Pablo Picasso, Charlie Chaplin, Gertrude Stein u.v.m. Im Gegensatz zu „Mickey Mouse“ und Co. war „Krazy Kat“ ein avantgardistisches Comic mit einer Message, für die selbst unsere heutige Generation noch kämpfen muss. In einem Strip von 1922 klopft eine Eule an Krazys Haustür, um herauszufinden, ob es sich bei ihr nun um einen ‚Gentleman‘ oder eine ‚Lady‘ handle, woraufhin sich Krazy am Ende einfach als ‚me‘ identifiziert.

Herriman verwirrte die Leser durch einen stetigen Wechsel der Pronomen und tat dies manchmal sogar mehrmals innerhalb eines Comics der Sonntagsseite. Er forderte durch das Sprengen formaler Grenzen jeden heraus, sich auf Ungewöhnliches einzulassen und Gelerntes ad acta zu legen. Er nutzte mehrere Erzähltechniken und Textebenen gleichzeitig, um die Leserschaft in surreale, dadaistische Szenerien zu ziehen, in der Slang, Neologismen und eine phonetische Schreibweise für Witz und Vertrautheit sorgten.

Es handelt sich hier um einen Auszug aus dem Comic Krazy Cat von George Herriman aus dem neuen Buch vom Taschen-Verlag.
Der Kritiker und Schriftsteller Gilbert Seldes erklärte 1922 in Vanity Fair Krazy Kat zum größten Werk der zeitgenössischen amerikanischen Kunst.

Die Geschichte von George Herriman hat mich persönlich besonders inspiriert, weil er sich durch seine vermeintlichen „Nachteile“ nicht stoppen ließ. Er nahm sein Leben selbst in die Hand und liebte, was er tat, trotz der widrigen gesellschaftlichen Umstände. Er fand einen Weg, der ihm im Inneren das Gefühl von Freiheit vermittelte, indem er ihr einfach eine andere Form gab – und zwar die von „Krazy Kat“.

Das Foto zeigt das Cover des neuen Buches aus dem Taschen-Verlag mit dem Titel: Krazy Kat - die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935-1944 von Comiczeichner Gerorge Herrimans
„Krazy Kat“
von Alexander Braun
In Leinen gebunden, 30 x 44 cm
632 Seiten, um 150 Euro,
erschienen im Taschen-Verlag.

Es ist wundervoll zu betrachten, wie er seine „Krazyness“ über so etwas Kindliches, Verspieltes zelebrierte, die gleichzeitig so intellektuell, kritisch und herzerwärmend war. Man sieht außerdem, dass die Verrücktheit einer Katze etwas in den Menschen bewegen kann. Bei vielen gilt Krazy Kat bis heute als der beste Comicstrip, der je produziert wurde.

Der Band „George Herrimans ‚Krazy Kat’. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935–1944“ enthält eine ausführliche Einleitung von Comicfachmann Alexander Braun, der Herrimans multiethnischen Background beleuchtet und dem Außergewöhnlichen dieses zeitlosen Gesamtkunstwerks um eine queere Katze nachspürt.

© Fotos: Taschen-Verlag, Text: Michelle Zerkler


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